Notdienst KVNO aktuell Letzte Änderung: 01.02.2024 10:33 Uhr Lesezeit: 2 Minuten

Reform der Notfallversorgung: Viele der guten Ansätze sind in Nordrhein bereits Realität

Die Versorgung im Notdienst muss neu gedacht und strukturiert werden.

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Portalpraxen sind in Nordrhein bereits üblich.

Das ist seit Jahren klar – und wird von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nordrhein bereits lange gefordert. Nun scheint endlich Bewegung in das Thema zu kommen: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach stellte im Januar sein Eckpunktepapier zur Reform der Notfallversorgung vor – mit guten Ansätzen. Dabei sind viele Vorhaben im Rheinland bereits gelebte Praxis.

Seit Jahren werden die Notdienststrukturen zunehmend in Anspruch genommen. Zugleich nehmen die ärztlichen Ressourcen ab. Mit Blick auf diese Tatsache ist es gut und richtig, dass der Bundesgesetzgeber eine Reform des Systems angeht. Eine stärkere Vernetzung der Akteure in der Notfallversorgung ist dabei ein folgerichtiger Ansatz zur Verbesserung der Versorgungslage.

Was genau plant Karl Lauterbach? Die Neuregelung soll grundsätzlich auf zwei Kernelementen fußen: zum einen auf der engeren digitalen Vernetzung des ambulanten Bereitschaftsdienstes (116 117) und der Rettungsleitstellen (112), zum anderen auf dem Aufbau integrierter Notfallzentren (INZ).

Ziel ist es, dass die Patientinnen und Patienten zentral in die für sie passenden Versorgungsstrukturen geleitet werden. Die Bundesregierung hat angekündigt, in Kürze einen Referentenentwurf zur Notfallreform vorlegen zu wollen (Stand zum Redaktionsschluss: 31. Januar). Geht alles nach Zeitplan, soll das Gesetz im Januar 2025 in Kraft treten.

„Um unsere Ressourcen effizient zu nutzen sowie Patientinnen und Patienten die gebotene medizinische Behandlung zukommen zu lassen, ist eine qualifizierte Patientensteuerung unerlässlich. Diese wird durch engere Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure im Notdienst sowie der Ermöglichung einer klaren und rechtssicheren Überleitung von Hilfesuchenden mit standardisierter Ersteinschätzung gestärkt“, begrüßt Dr. med. Frank Bergmann, Vorstandsvorsitzender der KV Nordrhein, die Vorhaben des Bundesgesundheitsministers.

Vorhaltefinanzierung ausweiten

Das Bundesgesundheitsministerium bekennt sich in seinem Reformvorhaben auch zum Sicherstellungsauftrag der KVen, nämlich, dass die Vermittlung von Akutpatientinnen und -patienten weiterhin vorrangig in die vertragsärztliche Versorgung erfolgen soll. Vielen Erkrankten kann bereits ambulant durch die Vertragsärztinnen und -ärzte geholfen werden. Eine entsprechende pauschale Vorhaltefinanzierung für die Strukturen der Terminservicestellen, über die die Patientensteuerung erfolgt, findet sich im Eckpunktepapier wieder.

Doch es braucht mehr: „Eine Vorhaltefinanzierung benötigen wir auch für die ambulante Notfallversorgung, um die Notdienstpraxen selbst, aber auch die Gehälter für Medizinische Fachangestellte und Bereitschaftsärztinnen und -ärzte bezahlen zu können. Ein Schritt in die richtige Richtung wäre dabei zweifelsohne auch die konsequente Umsetzung des Paragrafen 105 Absatz 1b SGB V, der die Kostenträger für zusätzliche Gelder – zweckgebunden für die Förderung regionaler Notdienststrukturen – verpflichtet“, kommentiert der KVNO-Chef.

24/7-Versorgung personell nicht leistbar

Es gibt aber auch Kritik am Vorhaben Lauterbachs: Wenig realistisch scheint angesichts der knappen Fachkräfteressourcen – gerade in ländlichen Regionen – eine 24/7 aufsuchende Versorgung. Das ist zum einen personell nicht leistbar, da die Niedergelassenen in ihren Praxen gebraucht werden. Zum anderen würden so ein weiteres Mal unwirtschaftliche Parallelstrukturen aufgebaut. „Die ambulante Versorgung findet nach wie vor hauptsächlich in den Praxen der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte statt!“, betont Bergmann. „Auch haben wir aus Modellprojekten im Rheinland – wie etwa unserer kinderärztlichen Videosprechstunde – die Erkenntnis ziehen können, dass für eine ambulante Rund-um-die-Uhr-Voll-Versorgung faktisch gar kein Bedarf besteht.“ Sein Vorschlag: Es müssten künftig unbedingt flexible (telemedizinische) Versorgungslösungen/-anwendungen möglich sein – basierend auf belastbaren respektive messbaren regionalen Versorgungsanalysen.

Gemeinsamer Tresen ist gelebte Praxis

Vieles von dem, was als Plan in Berlin vorgestellt wurde, ist im Rheinland längst Realität. Mit den Portalpraxen sind ambulante Notdienstpraxen bereits an Krankenhäusern etabliert. Durch einen gemeinsamen Tresen können dort Patientinnen und Patienten in der für ihre Behandlung angebrachten Struktur in der Notaufnahme oder der Notdienstpraxis behandelt werden. Die Portalpraxen haben sich in Nordrhein als zentrale Anlaufstellen sehr gut etabliert und führen somit dazu, dass Patientinnen und Patienten in die richtige Versorgungsform geleitet werden.

„In NRW haben wir somit schon einen elementaren Beitrag zu einer besseren und strukturierteren Notfallversorgung leisten können. Schön, dass diese sektorenübergreifende Behandlungsstruktur nun in Form integrierter Notfallzentren bundesweit Anwendung findet. Für den Erhalt dieser etablierten und bewährten Strukturen werden wir uns auch künftig zusammen mit den politischen Partnerinnen und Partnern im Bundesland stark machen“, so das Fazit des KVNO-Vorstandsvorsitzenden. Ebenso vehement setze sich die KV Nordrhein weiterhin für den Entfall der Sozialversicherungspflicht für Bereitschaftsärztinnen und -ärzte ein – dies sei neben den geplanten Struktur- und Steuerungsmaßnahmen für eine progressive und zukunftssichere Ausgestaltung des ambulanten Notdienstes im Land ebenso unerlässlich.

  • KVNO

Eckpunkte der Notfallversorgung

Ausbau der Terminservicestellen (TSS)
Um Patientinnen und Patienten schneller einen Behandlungstermin zu vermitteln, sollen die TSS ausgebaut und verstärkt werden, sich mit den Rettungsleitstellen vernetzen. Die KVen sollen hierzu künftig zwingend mit Rettungsleitstellen kooperieren und je nach Fall eine Überleitung von Hilfesuchenden ermöglichen. Zur Förderung der TSS werden zusätzliche Mittel durch die GKV und die KVen bereitgestellt.

Bundesweit einheitliche notdienstliche Akutversorgung
Dazu wird der Sicherstellungsauftrag der KVen konkretisiert. Sie müssen rund um die Uhr eine telemedizinische Versorgung sowie Hausbesuche insbesondere für immobile Patientinnen und Patienten bereitstellen.

Einsatz nichtärztlichen Personals
Die KVen erhalten gesetzlich die Möglichkeit, für den aufsuchenden Dienst auch qualifiziertes nichtärztliches Personal einzubinden oder mit dem Rettungsdienst zu kooperieren (Gemeindenotfallsanitäter). Die ärztliche Kompetenz wird in diesen Fällen durch eine telemedizinische Anbindung dieser Dienste sichergestellt.

Einrichtung flächendeckender Integrierter Notfallzentren (INZ)
Um Patientinnen und Patienten im Notfall gleich an die richtigen Strukturen zur Behandlung weiterzuleiten, sollen flächendeckend Integrierte Notfallzentren (INZ) sowie dort, wo es die Kapazitäten zulassen, Integrierte Notfallzentren für Kinder und Jugendliche (KINZ) eingerichtet werden. INZ und KINZ bestehen aus der Notaufnahme einer Klinik, einer zentralen Ersteinschätzungsstelle, dem sogenannten gemeinsamen Tresen, sowie einer KV-Notdienstpraxis in unmittelbarer Nähe.

Digitale Vernetzung
Die Kooperationspartner der INZ/KINZ sollen sich zudem digital vernetzen, um Behandlungsdaten schnell austauschen zu können.

Gesetzliche Festlegung der Öffnungszeiten der INZ
Wochenende/Feiertage: 9 bis 21 Uhr, Mittwoch/Freitag: 14 bis 21 Uhr; Montag, Dienstag und Donnerstag: 18 bis 21 Uhr; Abweichungen davon sind im Einzelfall möglich, wenn die notdienstliche Versorgung anderweitig sichergestellt ist.

Anbindung der INZ an TSS
Patientinnen und Patienten sollen dadurch in INZ auch geeignete Termine für eine Weiterbehandlung angeboten werden können. Zudem soll auch die Abgabe kurzfristig benötigter Arzneimittel ermöglicht werden. Hierzu können die INZ mit Apotheken in unmittelbarer Nähe Kooperationsvereinbarungen treffen.

Ermöglichung von Krankschreibungen
Damit Patientinnen und Patienten nach Behandlung in einer Notdienstpraxis oder bei einem Hausbesuch nicht anschließend noch einmal in eine Hausarztpraxis gehen müssen, um eine Krankschreibung zu erhalten, soll auch den INZ sowie dem aufsuchenden Notdienst die Ausstellung der AU ermöglicht werden.