KVNO aktuell Letzte Änderung: 13.05.2024 11:38 Uhr Lesezeit: 2 Minuten

Psychotherapie: Neues QS-Verfahren wird erprobt

Die ambulante Psychotherapie soll zukünftig durch ein Verfahren der datengestützten Qualitätssicherung begleitet werden. Das Verfahren soll ab 2025 zunächst in Nordrhein-Westfalen für die Dauer von sechs Jahren erprobt werden, bevor es bundesweit eingeführt wird.

Für alle Patientinnen und Patienten ab 18 Jahren, die ihre Psychotherapie regulär beendet haben, müssen Praxen künftig bestimmte Angaben dokumentieren und übermitteln. Insgesamt wird die Dokumentation 109 Datenfelder umfassen, sie sind neun Qualitätsindikatoren zugeordnet. Darüber hinaus sollen Daten aus einer Patientenbefragung in das neue QS-Verfahren einfließen. Dies gilt für alle Einzeltherapien – unabhängig vom Psychotherapieverfahren.
Mit der Erprobung soll sichergestellt werden, dass die vom Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) entwickelten Qualitätsindikatoren geeignet sind, valide und vergleichbare Erkenntnisse über die Versorgungsqualität zu gewinnen, Verbesserungspotenziale zu identifizieren und einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess zu fördern. Die Evaluation erfolgt durch das IQTIG und ein weiteres wissenschaftliches Institut als Reviewer.

Warum ausgerechnet NRW als Modellregion?

Die Details für das neue QS-Verfahren hat der Gemeinsame Bundesausschuss beschlossen – auch, dass die sechsjährige Erprobungsphase in Nordrhein-Westfalen stattfinden soll. Der Grund dafür ist, dass sich in NRW als bevölkerungsreichstem Bundesland mit Blick auf soziodemografische Merkmale und mit der hohen Zahl an Psychotherapeutinnen und -therapeuten die Anforderungen an das QS-Verfahren am besten skalieren lassen. „NRW verfügt sowohl über städtische als auch ländliche Räume mit einer entsprechend vielfältigen Versorgungsstruktur. Das Land kann deshalb für die Erprobung der Instrumente der Qualitätssicherung, der administrativen Prozesse, der Durchführung von Stellungnahmeverfahren und der Datenannahme und -verarbeitung als ein verkleinertes Modell der Bundesrepublik dienen“, erläutert Dr. Jennifer Pfingsten, Abteilungsleiterin Qualitätssicherung 1 der KV Nordrhein.

Die lange Erprobungszeit bedeutet für Psychotherapeutinnen und -therapeuten in NRW einen Mehraufwand. Sie kann aber auch eine Chance sein, meint Jennifer Pfingsten: „Die ambulante Psychotherapie unterlag bislang keinen Maßnahmen der datengestützten Qualitätssicherung. Indem wir Erprobungsgebiet sind, können unsere Mitglieder den Prozess aktiv mitgestalten. Wir haben zum Beispiel ein Expertengremium zusammengestellt, das den Prozess mit Empfehlungen für die Weiterentwicklung des Verfahrens begleitet.“ Bei jährlich stattfindenden Regionalkonferenzen können Psychotherapeutinnen und -therapeuten außerdem Feedback geben und so Einfluss auf das entstehende QS-Verfahren nehmen.

Antrags- und Gutachterverfahren bleibt

Mit dem Gesetz zur Reform der Psychotherapeutenausbildung hatte die Politik ein QS-Verfahren für die ambulante Psychotherapie gefordert und gleichzeitig festgelegt, dass mit dessen Einführung das bestehende Antrags- und Gutachterverfahren beendet wird. Das heißt: Bis zur Einführung des neuen QS-Verfahrens – voraussichtlich im Jahr 2031 – bleibt es bei den derzeitigen Antrags- und Gutachterregelungen.

Kritik am neuen datengestützten QS-Verfahren kommt indes von der Bundespsychotherapeutenkammer. Sie befürchtet, dass keine Qualitätsverbesserungen zu erwarten sind, sich das Verfahren sogar nachteilig auf die Patientenversorgung auswirken könnte. Für die Umsetzung würden Psychotherapeutinnen und -therapeuten viel Zeit aufwenden müssen – Zeit, die dringend für die Behandlung von Patientinnen und Patienten benötigt werde, so Dr. Andrea Benecke, Präsidentin der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK).

Wer bezahlt den zusätzlichen Aufwand?

Die Finanzierung der Erprobungsphase wird im Rahmen der Gesamtverträge gesondert zwischen den beiden KVen und den Krankenkassen vereinbart. Ziel soll dabei sein, dass die zur Teilnahme an der Erprobung verpflichteten Psychotherapeutinnen und -therapeuten aus NRW nicht gegenüber ihren Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Bundesländern benachteiligt werden. In der Vertreterversammlung im März forderte KVNO-Vize Dr. med. Carsten König deshalb die kostendeckende Vergütung aller zeitlichen und materiellen Aufwände: „Der Mehraufwand, der den Psychotherapeutinnen und -therapeuten durch die lange Testphase entsteht, muss adäquat gegenfinanziert werden und die Umsetzung des Projekts möglichst bürokratiearm erfolgen“, so König.

  • Susanne Junge