Letzte Änderung: 11.09.2023 15:30 Uhr

KVNO-VV: Delegierte wehren sich gegen politische Ignoranz und fordern bessere Rahmenbedingungen für ambulante Versorgung

Rund 50 Vertreterinnen und Vertreter der KV Nordrhein (KVNO) sind im August nach Berlin gefahren, um dort die sieben zentralen Forderungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und der Länder-KVen mit Nachdruck zu unterstützen.

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© KV Nordrhein
Die Delegierten der KVNO-VV wehren sich gegen politische Ignoranz und fordern bessere Rahmenbedingungen für ambulante Versorgung.

Die große öffentliche Krisensitzung der niedergelassenen Ärzteschaft war ein wichtiges und starkes Zeichen gegen die Schieflage in der ambulanten Versorgung. „Es war immens wichtig, dass wir auf die derzeitige Unterfinanzierung des ambulanten Systems, den Fachkräftemangel oder auch Mängel bei der Digitalisierung öffentlich aufmerksam gemacht haben“, sagte Dr. med. Frank Bergmann, Vorstandsvorsitzender der KVNO gleich zu Beginn der heutigen Sitzung der Vertreterversammlung (VV), die erstmals im neuen Service- und Beratungszentrum der KV an der Butzweilerhofallee in Köln stattfand.

Bergmann kritisiert Entscheidungen der Bundespolitik

In Berlin seien am 18. August insgesamt 800 Funktionsträger in der Ferienzeit zusammengekommen, um ihren Forderungen mit Blick auf die laufenden Finanzierungsverhandlungen mit den Kassen Ausdruck zu verleihen, so Bergmann. „Es geht dabei nicht um berufspolitische Partikularinteressen, sondern um die Zukunft der Vertragsärzteschaft insgesamt. Es ist nicht zu fassen, dass die absolut berechtigten Anliegen der niedergelassenen Vertragsärzteschaft so wenig Beachtung finden.

Es kommen sehr herausfordernde Zeiten auf uns zu – z. B. Veränderung in der Gesellschaft in Hinblick auf die Demografie. Gleichzeitig verändern sich die Strukturen in der ambulanten Versorgung, so wird etwa die ,Arztzeit‘ immer knapper“.

Bisherige Maßnahmen würden nicht ausreichen, um den Status quo zu erhalten, so der KVNO-Chef. „Wir werden als Selbstverwaltung aber die richtigen Konzepte entwickeln – Teampraxen und Gesundheitszentren könnten hier ein Lösungsansatz sein.“  

Digitalisierung: Versorgung und Praxisorganisation spürbar verbessern

Der KVNO-Vorstand forderte außerdem erneut eine sinnvolle und für die Praxen entlastende Digitalisierung. „Unsere Praxen sind bereits zum Großteil digital organisiert und wir arbeiten bereits weitgehend digital“, sagte Dr. med. Carsten König, stellvertretender KVNO-Vorsitzender. Die momentanen Reformpläne des Gesetzgebers ließen für die Praxen allerdings „nichts Sinnhaftes erkennen“. Statt des vom Bund angekündigten Bürokratieabbaus, nehme die Belastung der niedergelassenen Vertragsärzteschaft künftig noch weiter zu – zum Beispiel bei der geplanten Anwendung der elektronischen Patientenakte (ePA). „Obwohl sie eigentlich automatisch befüllbar sein sollte, hat das Bundesgesundheitsministerium kürzlich selbst errechnet, dass das Befüllen teils mehrere Minuten dauern kann. Hochgerechnet auf 50 Patientinnen und Patienten an einem Praxistag kommt da schon einiges an Zeit zusammen. Das wird klar zu Lasten der Behandlungszeit und somit auch der Patientinnen und Patienten gehen“, kommentierte König. Auch das eRezept habe in den Praxen bisher nicht zu unkomplizierteren oder zeitsparenden Abläufen beigetragen.

Antragsmanagement der KVNO bereits weitgehend digital

Wie Digitalisierung indes erfolgreich gelingen könne, zeige sich laut KVNO-Vize König im digitalen Antragsmanagement der KVNO: „Wir werden bis Ende September voraussichtlich alle Anträge der Qualitätssicherung zur Online-Bearbeitung zur Verfügung stellen können. Dann folgen die Anträge für das Arztregister und des Zulassungsbereichs. Dies wird den Praxen nicht nur theoretisch, sondern tatsächlich viel Zeit ersparen.“

Infekt-Welle: Praxisentlastung durch Videosprechstunde im Kinder-Notdienst

Weiteres Thema bei der KVNO-VV: der Blick auf die kommenden Infekt-Wellen in Herbst und Winter. Im Kinder-Notdienst hatte die KVNO um den Jahreswechsel 2022/2023 mit ihrem Angebot der ärztlichen Videosprechstunde erfolgreich pädiatrische Praxen sowie auch den stationären Bereich in Nordrhein entlastet. König kündigte für den Zeitraum Dezember 2023 bis Ende Januar 2024 erneut zur besseren Steuerung und Entlastung der Praxen eine Kinder-Videosprechstunde im Rheinland an. Ziel werde es wieder sein, Eltern erkrankter Kinder eine ärztliche Erstberatung anzubieten und dadurch Druck von Praxen wie auch Kliniken zu nehmen.

Gassen-Talk“ zur aktuellen berufspolitischen Lage

Im Anschluss an die VV diskutierte der KVNO-Vorstand zusammen mit dem Vorsitzenden der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. med. Andreas Gassen, die aktuellen gesundheitspolitischen Herausforderungen. Thema waren u.a. die momentanen Honorarverhandlungen im Bund. Gassen berichtete, dass die Positionen von Kassen und KBV derzeit noch weit auseinanderlägen. Ein grundsätzliches Problem dabei sei die gegenwärtige Honorarsystematik, die auf veralteten Daten gründet und die derzeitige Situation der Praxen nicht adäquat abbilde. „Dies muss dringend reformiert und durchbrochen werden. Dafür bräuchte es allerdings eine parlamentarische Mehrheit, die zum jetzigen Zeitpunkt illusorisch ist“, so Gassen. Der Aktionstag in Berlin sei ein starkes Signal gewesen, nicht nur zum Thema der Unterfinanzierung, sondern auch zu weiteren für die Praxen belastenden Punkten, wie etwa Regresse oder die nicht praxisreif funktionierende Digitalisierung.

Zu Frage, wie es nach dem Protesttag nun weitergehe, sagte der KBV-Chef, dass hier nun das BMG am Zuge sei. Um Praxen aber schon sofort und spürbar zu entlasten, könnte die Politik zum Beispiel die gerade eingeführten Sanktionen in der TI-Finanzierung von Praxen wieder zurücknehmen und bis Ende des Jahres eine echte Entbudgetierung der Hausärztinnen und Hausärzte auf den Weg bringen. An die VV-Delegierten appellierte Gassen nicht nachzulassen und weiter mit Verve für Ihre berechtigten Interessen einzutreten.

Die sieben zentralen Forderungen der KBV für eine zukünftige ambulante Versorgung sind hier zu finden: https://www.kbv.de/html/verhandlungen.php
 

Im Anschluss an die VV sprach Dr. med. Frank Bergmann mit dem Vorstandsvorsitzenden der Kassenärztlichen Bundesvereinigung Dr. med. Andreas Gassen über die aktuelle Situation in den Praxen und die Forderungen an die Politik. Den Talk finden Sie hier.