Letzte Änderung: 26.10.2023 16:46 Uhr

KVNO: Nach BSG-Urteil muss ambulanter Notdienst finanziell neu gedacht werden

Statement des Vorstandsvorsitzenden der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO), Dr. med. Frank Bergmann, und seines Stellvertreters, Dr. med. Carsten König, zum Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) zur Sozialversicherungspflicht im kassenärztlichen Not- und Bereitschaftsdienst.

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© KV Nordrhein | Lothar Wels
Dr. med. Carsten König (l.) und Dr. med. Frank Bergmann

Das BSG hat in dieser Woche entschieden, dass ein Zahnarzt, der als sogenannter „Poolarzt“ im Notfalldienst der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg tätig ist, aufgrund dieser Beschäftigung der Sozialversicherungspflicht unterliegt. Laut BSG führt allein die Teilnahme am vertragszahnärztlichen Notdienst nicht automatisch zur Annahme einer selbständigen Tätigkeit. Wegen der Eingliederung in die von der Kassenzahnärztlichen Vereinigung organisierten Abläufe war der klagende Zahnarzt danach abhängig beschäftigt. Allein die freie und eigenverantwortliche zahnärztliche Tätigkeit rechtfertige keine Befreiung von der Sozialversicherungspflicht, heißt es in einer Pressemitteilung des Gerichts.

„Seit Jahren investieren die Länder-KVen viel Zeit, Kraft und Ressourcen in die Forderung nach zentralen Notdienststrukturen, um Patientinnen und Patienten außerhalb der Sprechstundenzeiten gut versorgen zu können. Dieses versorgungspolitische Ziel wird nun dadurch konterkariert, dass gerade wegen dieses zentral gestalteten Notdienstes die bisher freiberuflichen ärztlichen Tätigkeiten im Bereitschaftsdienst sozialversicherungspflichtig werden.

Diese beschriebenen Strukturen sind nicht mehr aufrechtzuerhalten, wenn das BSG die Tätigkeit in den Notdienstpraxen als sozialversicherungspflichtig bewertet. Dies wird auch Nordrhein betreffen, weil die Vertragsärztinnen und -ärzte sich zu einem Großteil in ihren Diensten vertreten lassen. Für sie besteht nun das rechtliche Risiko, dass das Verhältnis zwischen ihnen und ihren Vertretern künftig ebenfalls als sozialversicherungspflichtig eingestuft wird. Dies würde für die Betroffenen deutlich höhere Kosten und einen ebenfalls deutlich höheren bürokratischen Aufwand bedeuten.

Die freiberufliche Vertretungsmöglichkeit für unseren Notdienst ist inzwischen nicht mehr wegzudenken, denn die Vertragsärztinnen und -ärzte arbeiten in ihren Praxen schon jetzt am Limit und können den Notdienst nicht alleine sicherstellen. Daher kann es auch in Nordrhein kein ,Weiter so‘ in der ambulanten Notfallversorgung geben!

Ausnahmeregelung, höhere Vergütung und Vorhaltekosten

Zum einen fordern wir hier eine zeitnahe Lösung seitens des Gesetzgebers – es braucht an der Stelle eine Gleichbehandlung der Bereitschaftsdienstärzte mit den Ärztinnen und Ärzten im Rettungsdienst, die von der Sozialversicherungspflicht befreit sind. Was wir außerdem dringend benötigen, ist eine höhere und extrabudgetäre Vergütung des ambulanten Notdienstes über den einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) für vertragsärztliche Leistungen. Das ist alleine schon deswegen nötig, um junge Medizinerinnen und Mediziner von der Niederlassung zu überzeugen. Wenn der Notdienst angemessen bezahlt wird, fällt es vor allem meinen älteren Kolleginnen und Kollegen zumindest etwas leichter, Nachfolgerinnen und Nachfolger für ihre Praxen zu finden.

Ein weiterer Punkt kann nicht oft genug betont werden: Es muss zwingend – wie auch für den stationären Bereich – eine Vorhaltefinanzierung für die ambulante Notfallversorgung geben, um künftig die Notdienstpraxen selbst, aber auch die Gehälter für Medizinische Fachangestellte und Bereitschaftsärzte bezahlen zu können. Dieser Schritt ist alternativlos, um den ambulanten Notdienst dauerhaft aufrechtzuerhalten.

Wir haben in Nordrhein mit den meist an Krankenhäusern angeschlossenen Portalpraxen in den vergangenen Jahren ein sehr leistungsfähiges System aufgebaut, das vor allem auch die Notaufnahmen der Klinken stark entlastet. Wenn die Vorhaltekosten nicht wie beschrieben finanziert werden, wird diese Zusammenarbeit, die eine Blaupause für eine überaus erfolgreiche intersektorale Zusammenarbeit ist, massiv gefährdet und in Frage gestellt.

Weitere Auswertung des Urteils   

Wir werden unsere Mitglieder zu diesem Thema engmaschig auf dem Laufenden halten, denn schon jetzt erreichen uns viele Fragen und besorgte Rückmeldungen. Zurzeit erfasst das Urteil zwar grundsätzlich nicht die in Nordrhein bestehende Form des Notdienstes. Das bei uns verbreitete Vertreterwesen könnte in bestimmten Fällen allerdings als sozialversicherungspflichtig eingestuft werden. Eine abschließende Prüfung wird erst dann möglich sein, wenn die schriftlichen Urteilsgründe vorliegen – dies kann bis zu drei Monate dauern.

Wir werden diese Zeit nutzen, um uns hierzu unter anderem mit NRW-Gesundheitsminister Laumann auszutauschen, den wir um ein zeitnahes Gespräch gebeten haben. Der Einführung der Portalpraxen in NRW liegt ein gemeinsamer Entschluss von Kassenärztlichen Vereinigungen, Ärztekammern in NRW sowie dem Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales unter der Führung von Gesundheitsminister Laumann zu Grunde.“

Kontakt

Christopher Schneider

KV Nordrhein
stellv. Pressesprecher

Telefon +49 211 5970 8280
E-Mail presse@kvno.de

Thomas Petersdorff

KV Nordrhein
Pressereferent

Telefon +49 211 5970 8109
E-Mail presse@kvno.de