KVNO aktuell ePA Letzte Änderung: 16.09.2024 00:12 Uhr Lesezeit: 2 Minuten

Interview: „Am Behandlungsverhältnis ändert sich rechtlich nichts“

Die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) für alle ab dem 15. Januar 2024 ist ein richtiger und wichtiger Schritt für eine bessere Patientenversorgung.

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© KBV

Gerade in rechtlicher Hinsicht bereitet die ePA den Praxen aber auch Sorgen. Dr. Christoph Weinrich ist Leiter der Stabsstelle Recht bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Im Gespräch mit der KVNO aktuell ordnet der Jurist die ePA in den rechtlichen Kontext ein und erklärt, in welchen Fällen die digitale Akte eher keine kluge Idee ist.

Herr Dr. Weinrich, das Gros der Niedergelassenen steht der digitalen Patientenakte grundsätzlich positiv gegenüber. Es gibt aber auch Bedenken und Verunsicherungen. Was ist Ihnen aus juristischer Sicht besonders wichtig?

Dr. Christoph Weinrich: Die zentrale Aussage ist: Durch die ePA wird die ärztliche Behandlung nicht auf den Kopf gestellt. Grundlage bleibt das anamnestische Gespräch. Es wird nicht durch die ePA ersetzt. Am Behandlungsverhältnis ändert sich rechtlich nichts. Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass jeder Patient und jede Patientin ab dem 15. Januar 2025 eine elektronische Patientenakte haben wird. Wer keine ePA möchte, muss aktiv widersprechen. Die Zuständigkeit hat der Gesetzgeber klar geregelt. Sie liegt bei den Krankenkassen, die ihre Versicherten noch vor Einführung der ePA aufklären und darauf hinweisen müssen, dass diese das Recht haben, zu widersprechen. Die KBV sagt da ganz klar, dass diese Diskussionen aus den Praxen herausgehalten werden müssen.

Im Normalfall müssen Niedergelassene bestimmte allgemeine Daten in die ePA einstellen und ihre Patientinnen und Patienten darüber informieren. In welchen Fällen sollten Ärztinnen, Ärzte, Psychotherapeutinnen und -therapeuten achtgeben?

Weinrich: Wenn es um stigmatisierende Daten geht, so nennt es der Gesetzgeber. Eigentlich kein besonders schöner Begriff; besonders sensible Daten beschreibt es besser. Dazu gehören psychiatrische Diagnosen, sexualbezogene Erkrankungen und Schwangerschaftsabbrüche. In diesen Fällen müssen Niedergelassene ausdrücklich auf das Widerspruchsrecht hinweisen. Gleiches gilt im Übrigen auch für genetische Untersuchungen und deren Ergebnisse. Da ist sogar eine gesonderte Zustimmung der Patientinnen und Patienten vonnöten. Grundsätzlich können Versicherte aber bei jeder Information entscheiden, ob diese in die ePA eingestellt werden soll oder nicht.

Wo gibt es zurzeit die meisten Fragezeichen bei der Nutzung der ePA?

Weinrich: Kompliziert wird es ganz eindeutig bei Minderjährigen. Das ist eine Situation, die sich rechtlich, aber auch in der Praxis nur schwer fassen lässt. Wie geht man damit um, wenn es zwei Sorgeberechtigte gibt, die getrennt sind? Nun muss aber darüber entschieden werden, ob sensible Daten in die ePA eingestellt werden oder nicht. Da stellt sich schnell die Frage, wer zuständig ist. Das Gesetz gibt darauf keine konkrete Antwort und es darf nicht sein, dass die Unklarheiten in ärztlichen und psychotherapeutischen Praxen aufgelöst werden müssen.

Wie sollte also nach Ansicht der KBV mit dem Thema digitale Akte bei Minderjährigen umgegangen werden?

Weinrich: Bei der komplexen Situation, die es im Familienrecht dazu gibt, muss die Forderung sein: Unter 18 Jahren ist das mit der ePA keine kluge Idee. In diesem Zusammenhang werden sich immer wieder Fragestellungen ergeben, die nicht einfach zu klären sein werden. Das ist definitiv ein kritisches Themenfeld, das – im Gegensatz zu vielen anderen – nicht in den Griff zu bekommen sein wird.

Schauen wir zum Abschluss noch aufs große Ganze: Was ist der KBV wichtig mit Blick auf die Einführung der digitalen Akte?

Weinrich: Die Praxisverwaltungssysteme müssen den Praxen den Umgang mit der ePA so leicht wie möglich machen. Dazu haben wir Vorgaben erarbeitet und diese an den Gesetzgeber sowie die Software-Hersteller adressiert. Das Zweite, aber auch ganz wesentliche ist: Die Krankenkassen müssen ihrer Informationspflicht gegenüber ihren Versicherten nachkommen. Die Arztpraxis muss ein Ort der Behandlung bleiben und darf nicht zur Verwaltungssachbearbeitung werden.

  • Das Interview führte Jana Meyer.