KVNO aktuell Letzte Änderung: 23.09.2024 00:00 Uhr Lesezeit: 4 Minuten

Interdisziplinäres Netzwerk mit angeschlossener Praxisklinik

Wer in Rodenkirchen wohnt, ist ärztlich gut versorgt. Im südlichsten Kölner Stadtbezirk haben sich viele Ärztinnen und Ärzte niedergelassen. Nicht wenige von ihnen gehören zum Gesundheitsnetz Köln-Süd e. V. (GKS), das die Lösung für die Herausforderungen in der wohnortnahen ambulanten Versorgung in der intensiven und fachdisziplinübergreifenden Zusammenarbeit sieht.

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© Robert Poorten | Adobe Stock
Über einen Vertrag zur besonderen ambulanten ärztlichen Versorgung mit der Techniker Krankenkasse bietet das GKS TK-Versicherten Zusatzvorteile wie z. B. individuelle Behandlungspläne, schnellere Terminvergabe und kürzere Wartezeiten an. Am Vertrag teilnehmende GKS-Ärzte treffen sich regelmäßig zum Erfahrungsaustausch und nehmen an Fortbildungen teil.

In Rodenkirchen fühlen sich Ärzte und Patienten gleichermaßen wohl. „Wir haben hier die zweithöchste Arztdichte nach Tel-Aviv“, scherzt Dr. med. Christian Flügel-Bleienheuft, Gründungsmitglied des Gesundheitsnetzes Köln-Süd. 15 Jahre lang leitete er das Praxisnetz, bevor er vor zwei Jahren den Vorsitz an die nächste Generation übergab. Dennoch bleibt er dem Netzwerk treu und engagiert sich weiterhin aktiv.

Das GKS begann 2007 mit 35 Niedergelassenen. Heute zählt es 89 Mitglieder, darunter 74 Fachärztinnen und -ärzte und 15 Ärztinnen und Ärzte aus dem hausärztlichen Bereich. Der Grundgedanke, der zur Gründung des GKS führte, ist auch heute noch Leitmotiv des Praxisnetzes: die Gestaltung der Versorgung. „Wir wollen nicht gestaltet werden, sondern selbst entscheiden, was für die Patientinnen und Patienten in Rodenkirchen die beste Versorgung ist. Wir haben den besseren Überblick über die Region und die Versorgungslage vor Ort und wissen, welche Bedürfnisse die Patientinnen und Patienten hier haben“, sagt Flügel-Bleienheuft.

Kooperation als Schlüssel zum Erfolg

„Versorgung“ betrachten die Netzwerker dabei aus einer interprofessionellen Perspektive. Das Netz dient als Plattform für alle Akteure, die an der lokalen Gesundheitsversorgung teilnehmen – also nicht nur für Ärztinnen und Ärzte, sondern auch für Pflegedienste, Reha-Einrichtungen, Apotheken, Forschungseinrichtungen: Versorgung wird hier verstanden als Teamleistung. Die Medizinerinnen und Mediziner im Netz pflegen enge Kontakte zu den örtlichen Gesundheitseinrichtungen. „Apotheken etwa nehmen an unseren Qualitätszirkeln zu Polypharmazie teil, weil es uns als Ärzten wichtig ist, zu bestimmten Therapiefragen auch die pharmakologische Expertise zu bekommen“, sagt Flügel-Bleienheuft. Als weiteres Beispiel nennt er die erfolgreiche Zusammenarbeit in der Corona-Pandemie. Das GKS organisierte einen runden Tisch mit Krankenhäusern, Pflegeheimen und Heimärzten, um den reibungslosen Ablauf für die Wiederaufnahme und Versorgung im Pflegeheim nach der Entlassung aus dem Krankenhaus zu planen. „Das hat das Gesamtsystem massiv entlastet, den Patientinnen und Patienten gutgetan und die Prozessabläufe deutlich verbessert. Das bekommen Sie nur auf einer verbindlichen Akteursplattform hin“, betont Flügel-Bleienheuft.

Verbindlichkeit – das ist für Dr. med. Gero Quante, HNO-Arzt und seit zwei Jahren Vorstandsvorsitzender des GKS, ein zentrales Merkmal der Netzwerkarbeit. Verbindlichkeit entstehe zum Beispiel durch regelmäßige Mitgliederversammlungen, bei denen inhaltlich gearbeitet und auch schon mal kontroverse Themen angesprochen würden. „Das schafft eine engere Bindung als gelegentliche Treffen beim Ärzte-Stammtisch“, sagt Quante. Diese enge Zusammenarbeit führt letztlich auch zu einer höheren Patientenzufriedenheit: „Wenn ich einem Kollegen einen Arztbrief schreibe, mit dem ich beim Netztreffen schon mal gesprochen habe, dann ist die Zusammenarbeit einfach besser und man bekommt auch schneller einen Termin für seine Patienten.“

Interkollegial, interdisziplinär, interprofessionell – und mit der „Klinik Links vom Rhein“ ist das Praxisnetz im Kölner Süden auch intersektoral. Die mehrfach von der Wirtschaftswoche als „beste Praxisklinik“ ausgezeichnete Einrichtung ist ebenfalls ein wichtiger Bestandteil des GKS, da die meisten der dort praktizierenden und auch operierenden Ärzte Mitglieder im GKS sind. Die Klinik beherbergt drei OPs für ambulante Operationen, die von rund 39 Operateuren des Netzes genutzt werden. Einer von ihnen ist der plastische Chirurg Dr. med. Gregor Maria Landwehrs, der sich als zweiter stellvertretender Vorsitzender im GKS engagiert: „Dass unsere operierenden Mitglieder hier arbeiten können, sorgt für eine saubere Patientenbindung. Die Patientinnen und Patienten werden direkt von den Ärzten operiert, bei denen sie sich initial vorstellen. Das spart ihnen Wege, die Vor- und Nachsorge bleibt in einer Hand – und sie erhalten in der Regel auch einen schnelleren Operationstermin als in einem externen Krankenhaus.“

Zertifiziert und gefördert

Dass das Gesundheitsnetz Köln-Süd zur Qualität und Effektivität der vertragsärztlichen ambulanten Versorgung beiträgt, hat die KV Nordrhein 2016 mit der Anerkennung als Praxisnetz nach § 87b SGB V offiziell bestätigt. Praxisnetze können sich bei der KV Nordrhein in drei Entwicklungsstufen - Basisstufe, Stufe 1 und Stufe 2 - anerkennen lassen. Je höher ein Praxisnetz eingestuft ist, desto höher ist der Qualifizierungsgrad, der sich vor allem nach der Erfüllung von Versorgungszielen richtet. Das GKS verfügt über die Qualifizierungsgrade der Basisstufe und der Stufe 1.

Neben Mitgliedsbeiträgen finanziert sich das GKS vor allem über Versorgungsverträge mit Krankenkassen. Versorgungsideen mit den Kassen besprechen, Verträge zum Wohle der Patienten abschließen und vor Ort umsetzen - das ist daher ein Schwerpunkt der Netzwerktätigkeit. Bereits seit 2012 gibt es einen solchen Vertrag mit der Techniker Krankenkasse (TK). Mitgliedspraxen aus 15 Fachrichtungen können ihren TK-Versicherten Zusatzvorteile neben den gesetzlichen Standardleistungen anbieten. Die Patienten müssen sich dafür lediglich in den TK-Praxisnetzwerkvertrag einschreiben. Sie können dann von speziellen Präventionsangeboten, individuellen Behandlungsplänen und Serviceleistungen wie schnelleren Überweisungen und kürzeren Wartezeiten profitieren. Die teilnehmenden Praxen erhalten eine extrabudgetäre Zusatzvergütung. Im ersten Quartal dieses Jahres waren knapp 1900 Patientinnen und Patienten aus Rodenkirchen und Umgebung in den Vertrag eingeschrieben, davon 441 als Neuzugänge.

eliPfad ist ein weiteres aktuelles Versorgungsprojekt. Das GKS ist – wie auch die KVNO Konsortialpartner in diesem sektorenübergreifenden Innovationsfondsprojekt. Die Uniklinik Köln koordiniert das Projekt in Zusammenarbeit mit fünf weiteren Kliniken in NRW. Das Ziel ist, ältere multimorbide Patientinnen und Patienten nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus vor erneuter stationärer Aufnahme zu bewahren. Die enge Abstimmung mit den Hausarztpraxen schon während des Klinikaufenthalts spielt hier eine wichtige Rolle, genauso wie Digitalisierung in Form eines telemedizinischen Monitorings via Patienten-Tablets und die Begleitung der Patientinnen und Patienten durch speziell ausgebildete Fallmanagerinnnen.

Und auch für die Zukunft haben Quante und Flügel-Bleienheuft im Netzwerkvorstand bereits Pläne geschmiedet. Das GKS beteiligt sich an einem gerade eingereichten Antrag für ein Innovationsfondsprojekt zur Früherkennung von Alzheimer. „Dass wir auch interessant für Institute in der Versorgungsforschung sind, ist ein bedeutender Mehrwert des Netzwerks“, sagt Gero Quante. Mit Forschungspartnern Projekte initialisieren zu können, die direkt auf die Behebung von Defiziten vor Ort zielen, sei etwas, das nur in einem größeren Verbund funktioniere. Quante: „Was wir gemeinsam im Netz erreichen, kann eine Praxis allein niemals bewältigen.“

■ Thomas Lillig

Steckbrief Gesundheitsnetz Köln-Süd e. V. (GKS)
Anschrift
Geschäftsstelle des GKS e. V. Hohenstaufenring 48-54 50674 Köln
Rechtsform
Eingetragener Verein
Anerkennungsstufe (Basis-Stufe, Stufe I, Stufe II)
Stufe 1 (anerkannt seit dem 01.04.2016)
Vertretene Zulassungsfachgruppen im Netz
Allgemeinmedizin, hausärztliche und fachärztliche Innere Medizin, Anästhesiologie, Augenheilkunde, Gefäßchirurgie, Orthopädie, Orthopädie (SP Unfallchirurgie), Plastische Chirurgie, Frauenheilkunde, Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Hautund Geschlechtskrankheiten, Gastroenterologie, Kardiologie, Rheumatologie, hausärztliche Kinder- und Jugendmedizin, Laboratoriumsmedizin, Neurochirurgie, Urologie, Psychologische Psychotherapie
Webadresse
www.gks-gesundheitsnetz.de

„Kooperation schafft eine bessere Versorgungsqualität“

Mitglieder profitieren vom Gesundheitsnetz Köln-Süd auf vielfältige Weise, wie Dr. med. Gero Quante und Dr. med. Christian Flügel-Bleienheuft im Interview mit KVNO aktuell erläutern.

Welche Vorteile hat die Mitgliedschaft im GKS für Ärztinnen und Ärzte?

Dr. med. Gero Quante: Für mich war das GKS eine wichtige Starthilfe als neuer Arzt in der Niederlassung. Ich hatte hier in Rodenkirchen eine Struktur vorgefunden, an die ich durch das Gesundheitsnetz leicht andocken konnte. Eine wichtige Motivation war auch die Interdisziplinarität, die das Netz bietet. Ich bin zwar HNO-Arzt, meine Patienten haben aber auch z. B. Koronare Herzkrankheiten oder andere gesundheitliche Einschränkungen. Im Netz habe ich die Möglichkeit, Kollegen anderer Fächer persönlich kennenzulernen und mit ihnen bei Bedarf individuelle Fälle besprechen zu können, das schafft schon eine andere Versorgungsqualität. Wir Netzwerkärzte haben untereinander Telefonnummern ausgetauscht, unter denen wir uns schnell erreichen können, wenn es wirklich brennt und ohne über die Praxisnummer zu gehen. Wir kriegen dann unsere Patienten zur Not auch am Freitagnachmittag noch versorgt – und wenn es Richtung Klinik geht, dann haben wir auch dort Ansprechpartner.

Dr. med. Christian Flügel-Bleienheuft: Als Arzt möchte ich in der zur Verfügung stehenden Zeit möglichst ressourcen-schonend arbeiten. Da ist es gut, wenn ich weiß, dass ein von mir antherapierter Patient im weiteren Verlauf sachgerecht und leitlinienorientiert weiterversorgt wird. Im Netzwerk kennt man sich, der Hausarzt kann dadurch die Therapieentscheidung des Kollegen besser einschätzen, warum er nun dieses oder jenes Medikament verordnet hat. Als Facharzt kann man sich umgekehrt darauf verlassen, dass, wenn der Hausarzt einen Patienten mit dringendem Behandlungsbedarf anmeldet, dieser Bedarf auch tatsächlich vorhanden ist – und wenn nicht, dann sagt er ihm das bei der nächsten Netzveranstaltung.

Ambulantisierung ist ja zurzeit ein großes Thema, Stichwort Krankenhausreform. Welche Rolle können Praxisnetze hier spielen?

Flügel-Bleienheuft: In einer Netzstruktur ist es so, dass man als Player vor Ort eine gewisse Machtposition hat. Ich erinnere mich an eine Begebenheit zu Anfang unserer Netzwerkzeit, da wollte das Uniklinikum Köln über MVZ-Strukturen hier in Rodenkirchen noch einen weiteren MVZ-Sitz erwerben, mit dem Ziel, Patienten für die stationäre Versorgung zu gewinnen. Das ist natürlich das Gegenteil von Ambulantisierung. Unsere Gespräche mit dem MVZ haben dann dazu geführt, dass man ganz schnell davon Abstand genommen hat. Heute pflegen wir einen sehr engen und kollegialen Kontakt zum Uniklinikum und versorgen Patienten miteinander und nicht gegeneinander.

Trägt das Praxisnetz auch dazu bei, Einzelpraxen oder kleine Praxiseinheiten abzusichern und zu erhalten?

Flügel-Bleienheuft: Ja, die Einzel- oder Gemeinschaftspraxis ist in einem Netz gut geschützt. Mehr noch: Wenn man in die weitere Perspektive schaut, hat man eine gute Möglichkeit, seine Einzelpraxis eines Tages zu übergeben, weil sie gut etabliert ist in dem Gesamtkonstrukt.

Quante: Als Übernehmer einer Praxis „erbe“ ich auf Wunsch die Mitgliedschaft im Netz gleich mit, kann direkt von der Vernetzung mit anderen Kolleginnen und Kollegen profitieren. Man hat zum Beispiel direkt die Möglichkeit, sich auf der Mitgliederversammlung vorzustellen mit dem, was man medizinisch anbietet. Und es gibt von Beginn an die Chance, sich auch mit Kollegen aus anderen Fachgruppen auszutauschen, wo man sich ansonsten vielleicht allenfalls fachgruppenintern trifft. Das weitet den Blick und das Verständnis für die Versorgung entlang des ganzen Versorgungspfades.

Was sind Ihre Erwartungen und Wünsche für die Zukunft?

Flügel-Bleienheuft: Wenn man Praxisnetze politisch wirklich will, dann muss man auch anerkennen, dass sie ab einem gewissen Punkt ein kontinuierliches Management benötigen, also jemanden, der sich professionell um betriebswirtschaftliche Dinge, Richtlinien, die wachsenden Vorgaben bei der Projektförderung etc. effektiv kümmern kann. Das können wir ab einem bestimmten Projektumfang nicht mehr mit Netzwerkbeiträgen stemmen. Es wäre schön, wenn wir in dieser Hinsicht in Zukunft eine adäquate und vor allem kontinuierliche finanzielle Unterstützung erfahren würden.

■ Das Interview führte Thomas Lillig.